Kürzlich erzählte ein Freund über seine Schwierigkeiten dabei, geeignete “Outcome”-orientierten Kennzahlen für seine spezifische Situation zu finden. Outcome bedeutet in der agilen IT-Welt ein durch die Arbeitsergebnisse des Teams erzielter konkreter Nutzen. Dieser Nutzen können beispielsweise höhere Verkaufszahlen oder eine schnellere Reaktion auf neue Anforderungen in der Entwicklung sein. Die Frage, was gemessen werden sollte um den Outcome zu verbessern, hat mich zu einer Recherche bewegt. Dabei hat mich das vom PMI angebotene Disciplined Agile Toolkit besonders positiv überrascht. Dort findet sich unter anderem ein Prozessoptimierungs-Ziel “Measure Outcome” mit über 100 Kennzahlen, gegliedert in 15 Entscheidungspunkte.
Disciplined Agile ist eine Toolbox mit leicht zugänglich gemachten Expertenwissen rund um die Optimierung von leanen, agilen und hybriden Software-Projekten und darüber hinaus. Das Thema Kennzahlen verdeutlicht beispielhaft die Vorgehensweise und den Nutzen von Disciplined Agile auch für Projekte außerhalb der rein agilen Community.
Entscheidungsbäume für Kennzahlen-orientierte Prozessziele
Disciplined Agile bietet bezüglich Kennzahlensystemen ein Set von spezifischen Entscheidungshilfen in Form von Prozessziel-Diagrammen (Process Goals) mit entsprechenden Entscheidungspunkten (Decision Points). Ein Prozessziel betrachtet Gestaltungsmöglichkeiten jeweils eines wichtigen Aspekts eines Prozesses. Entscheidungspunkte sind zentrale Fragestellungen, die zum entsprechende Prozessziel zumindest kurz betrachtet werden sollten. Für jeden Entscheidungspunkt gibt es in Form von Optionen mehrere Tools zur Auswahl. Das Onlinetool DA-Browser hat für jede dieser Ebenen jeweils eine kurze Beschreibung sowie eine Liste von Vor- und Nachteilen.
1. Prozessziel: “Kennzahlensystem aufsetzen”
- Wähle den Mess-Schwerpunkt:
Soll vorrangig der einfach messbare Input, z.Bsp. Anzahl neuer User Stories, oder der Team-Output, z.Bsp. Burndown, oder der Outcome gemessen werden? Die besten Chancen, aus den Zahlen echte Verbesserungen in Form von höherem Nutzen ableiten zu können, bietet logischerweise das Messen des Outcomes. Da dies ein komplexes Unterfangen ist, gibt es hierzu das unten beschriebene eigene Prozessziel “Outcome messen”. - Wähle eine Kennzahlen-Strategie:
Einfache, direkt verfügbare Zahlen oder komplexere Verfahren wie KPI oder OKR mit besseren Aussichten auf das Erkennen von Verbesserungspotential? - Wie werden die Kennzahlen über Teams hinweg aggregiert:
Mit welcher Strategie setze ich die Messungen in der Organisations auf, so dass sich die Ergebnisse vom Team Level nach oben hin verdichten lassen? - Kennzahlen kommunizieren:
Wie werden die Kennzahlen im Team und nach außen hin kommuniziert? Pull/Push/Form … - Kennzahlen Reporting:
Wie werden die Kennzahlen des Teams nach außen dargestellt? - Art der Messung:
Welcher Automatisierungsgrad? Vorausschauend oder nachlaufend? Durchsatz oder Kapazität? …
1. Entscheidungspunkt: “Strategie für Kennzahlen wählen”

Grafik 2: Auszug aus dem Process Goal Diagramm “Organize Metrics” (https://www.pmi.org/-/media/pmi/microsites/disciplined-agile/goal/organizemetricsgoaldiagram.svg)
Der Entscheidungspunkt “Choose Measurement Strategy” bietet beispielsweise sieben Optionen, bei denen alle je nach Kontext sinnvoll sein können. In diesem Fall sind die oben stehenden Optionen im Sinne des DA Mindsets wertvoller – sofern es der Kontext zulässt. Die Option “None” hat beispielsweise als Erläuterung “The team chooses to not collect any metrics at all.” Die Vor- und Nachteile dieser Option sind in der Grafik 2 exemplarisch dargestellt.
2. Entscheidungspunkt “Kennzahlen aggregieren”
Bei diesem Entscheidungspunkt wird im DA-Browser unter anderem erläutert, warum Teams unterschiedliche Kennzahlen unterschiedlich ermitteln sollten. Über Kennzahl-Kategorien und zum Beispiel eine Ampel-Farbmeldung je Kategorie durch die einzelnen Teams ist dann trotzdem eine sinnvolle und übersichtliche Verdichtung nach oben möglich.
2. Prozessziel “Outcome messen”
Das zweite speziell Kennzahlen-bezogene Prozessziel konzentriert sich darauf, ergebnisbezogene, besonders nützliche Kennzahlen auszuwählen: Measure Outcomes.
Die Struktur ist wieder die gleiche wie beim Prozessziel “Organize Metrics”. Allerdings handelt es sich hierbei um eines der umfangreichsten Prozessziele mit 15 Entscheidungspunkten und darin enthaltenen 118 Optionen (Stand DA-Browser 5.4).
Das bedeutet konkret, dass sich hier über 100 sinnvoll gegliederte, kurz erläuterte und vor allem ergebnisorientierte Kennzahlen finden lassen!
Grafik 3: Auszug aus dem Process Goal Diagramm “Measure Outcomes” (https://www.pmi.org/-/media/pmi/microsites/disciplined-agile/goals/measureoutcomesgoaldiagram.svg)
Beispielhaft greife ich den Entscheidungspunkt “Improve Risk Tolerance” heraus: Evtl. sollte das Team in einem sehr innovativen Markt eine riskantere Vorgehensweise wählen. Oder umgekehrt weniger Risiken eingehen, weil das besser zur Risikostrategie der eigenen Organisation passt.
Leider musste ich selbst beim ersten Durchsehen des Entscheidungspunktes zur Risikotoleranz feststellen, dass für mich alle 5 Risiko-bezogene Kennzahlen neu waren. Und das obwohl ich von mir behaupte, in meinen Projekten ein gutes Risikomanagement zu pflegen. Bisher war mein Ansatz allerdings ohne Kennzahlen, die mir entsprechendes Optimierungspotential aufzeigen könnten.
Die Zusatzinfos für die einzelnen Umsetzungsoptionen im DA-Browser helfen, die Art der Kennzahl sowie Vor- und Nachteile zu beurteilen. Damit lassen sich dann die ein oder zwei aussichtsreichsten Kennzahlen recht schnell identifizieren. Bei Bedarf findet sich dann Online oder in der Literatur noch vertiefendes Material zu Details des jeweiligen Konzeptes bzw. der Umsetzung.
Fazit
Beim Durcharbeiten der online frei verfügbaren Informationen zu Kennzahlen im Disciplined Agile Bereich des PMI ist mir noch einmal bewusst geworden, wie nutzbringend das DA-Toolkit für meine tägliche Arbeit im agilen Umfeld ist. Denn neben den hier kurz vorgestellten 2 Prozesszielen zu Kennzahlen hat alleine das “Disciplined Agile Delivery” Process Blade, das den eigentlichen Softwareentwicklungsprozess betrachtet, 22 weitere Prozessziele mit einem sehr hohen Potential, den Wert der Arbeit jedes Entwicklungsteams zu steigern.
Darüber hinaus bietet Disciplined Agile einen pragmatischen, nutzenorientierten Blick auf das größere Ganze, wie am Beispiel des “Governance” Process Blades erkennbar ist.
Wer bei der Digitalisierung vorne mitspielen möchte, muss schneller bessere Software entwickeln. Dabei sind passende Kennzahlen ein entscheidender Faktor im kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Kombiniert mit dem DA Mindset gelingt der Weg zum optimalen Outcome von Softwareprojekten noch besser, wenn die Kennzahlen von hochmotivierten Teams selbst gewählt und aktiv zur Verbesserung genutzt werden.