Warum Produktchancen-Exploration der beste Weg zu einem erfolgreichen Produkt ist

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Viele Entwicklungsteams verfehlen die an die Produkte gesteckten Erwartungen deutlich. Das Produktmanagement, und nicht etwa das Entwicklungsteam, verursacht häufig diese Zielverfehlung. Durch falschen fachlichen Vorgaben werden, zwar effizient und effektiv, aber leider nutzlose Features entwickelt.

Der englische Begriff aus dem Silicon-Valley-Ausdruck für die fortlaufende Produktchancen-Exploration ist „Product Discovery“. Und das ist eine der Kernaufgaben des Produktmanagements. 

Produktchancen-Exploration beinhaltet das Finden und Priorisieren der erfolgversprechendsten Ideen für das jeweilige Produkt. Bei der Weiterentwicklung bereits genutzter Produkte fokussiert Produktchancen-Exploration darauf, die besten Chancen für kommende Produkterweiterungen zu finden, zu bewerten und zu priorisieren.

Produktchancen-Exploration entscheidet über den Erfolg eines Produktes

 

Anforderungen, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen eines Produktes ändern sich in der heutigen, schnelllebigen digitalen Welt ständig. 

Unter diesen komplexen Bedingungen meistern nur hervorragende Produktteams die Herausforderung, die richtigen Produkterweiterungen zu finden und optimal umzusetzen.

Eine Evidenz-basierte Vorauswahl und Analyse der Produktchancen entscheidet über die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Produkterweiterung bei den Anwendern und Kunden.

In der Praxis verlieben sich ProduktmanagerInnen oder einzelne wichtige Stakeholder in ihre Lösungsideen und drängen das Produktteam dazu, diese unreflektiert umzusetzen.

Studien zeigen, dass maximal 20% aller eigentlich guten Ideen nach ihrer Umsetzung wirklich Begeisterung und Zufriedenheit bei Kunden und Anwender erzeugen. Viele gut klingende Ideen, selbst von sehr erfahrenen Top-ProduktmanagerInnen, bestehen den Praxistest nicht.

Hier setzt die gezielte Produktchancen-Exploration bzw. das Product Discovery an.

ProduktmanagerInnen sind die Produktideen-Entdecker

 

ProduktmanagerInnen finden und sammeln Ideen und Erweiterungschancen für das Produkt. Sie sondieren ständig den Markt und kommunizieren laufend mit Kunden und Anwendern des Produktes. Dabei entdecken sie unbefriedigte Bedürfnisse und aktuelle Probleme der Zielgruppen.

Vor allem echte Probleme und unbefriedigte Wünsche bieten gute Chancen für eine wertvolle Produkterweiterung. Verbesserungen für Anwender, Kunden und die eigene Organisation durch eine Produkterweiterung sind der Geschäftswert (Outcome) einer solchen Lösung.

Das Produktmanagement fügt neu entdeckte Ideen für Produktchancen in die Produktchancen-Sammlung (Product Opportunity Backlog) ein.

Das Produkttrio entwickelt aus Produktideen erfolgreiche Lösungen

 

Seit fast 15 Jahren inspiriert mich das Produktmanagement-Buch „Inspired“ von Marty Cagan. Im Einführungskapitel beschreibt er als eine wesentliche Erkenntnis aus den erfolgreichsten Produktentwicklungen des Silicon Valleys:

Die Produktchancen-Exploration von der Idee zur Umsetzung erfolgt bei erfolgreichen Technologie-Produkten immer in intensiver Zusammenarbeit von Produktmanagement, Interaktions-Design (UX/UI) und Softwarearchitektur.

Diese Erfolgs-Konstellation nennt sich heute das „Produkttrio“.

Das Product-Trio erstellt gemeinsam die besten Lösungen. Produktdesign sorgt für Benutzbarkeit, SW Architektur für Machbarkeit und Produktmanagement für Wirtschaftlichkeit und Attraktivität
Das Produkt-Trio

Hinter dem Etablieren von Produkttrios für den strategischen Planungsprozess steckt die Erkenntnis, dass die drei unterschiedlichen Aspekte eines Produktes stark miteinander verflochten und damit hochkomplex sind. Nur ein funktionsübergreifendes Team entwickelt im Dialog für solche komplexen Aufgabenstellungen passende, gute Lösungen.

Produktchancen-Exploration als strategische Planungsaufgabe

 

Die Produktchancen-Exploration muss kontinuierlich erfolgen. Das ist sehr gut mit einem Verkaufstrichter im Vertrieb vergleichbar. 

Grafik Produktplanungs-Trichter
Der Produktplanungs-Trichter

Die daraus resultierende Produktchancen-Sammlung (Product Opportunity Backlog) ist die erste, noch grobe Aufgabensammlung der Produktentwicklung.  Der Produkterweiterungsplan enthält deutlich detailliertere Aufgaben, die mehr oder weniger direkt in die Entwicklung gehen können. Der operative Umsetzungsplan (Sprint Backlog) ist die einzige wirklich fixe Aufgabensammlung. Hier ist festgelegt, welchen Nutzen mit welchen Funktionen die Entwicklung in der nächsten Entwicklungsiteration konkret liefern wird.

Drei Kernprozesse der Produktplanung laufen parallel und ineinander geschachtelt ab.
Die drei parallelen, verschachtelten Produktplanungs-Prozesse

Die Produktchancen-Exploration (Product Discovery) ist der zentrale Prozess der strategischen Produktplanung und hält die Produktchancen-Sammlung (Product Opportunity Backlog) laufend aktuell. Auf der nächsttieferen, taktischen Ebene erfolgt die konkrete Produkterweiterungs-Planung (Product Refinement) für die als nächstes zur Umsetzung anstehenden Produktchancen.  Auf der untersten Planungsebene wird in der Umsetzungsplanung jeweils die kommende Entwicklungsiteration fix geplant und im Umsetzungsplan der Iteration festgehalten. Der Artikel Die drei Kernprozesse agiler Produktentwicklung geht detaillierter auf verschiedenen drei Prozessebenen ein.

Wie wichtig die Produktvision dabei sowohl für die Zusammenarbeit wie auch für eine erfolgsorientierte Planung ist, erfahrt ihr im Artikel Wie Produktteams mit einer starken Produktvision über sich hinauswachsen.

Kontinuierliche Produktchancen-Exploration ist entscheidend

 

 

Die Entwicklung digitaler Produkte findet in einer VUCA-Welt statt. Die Produktchancen-Exploration muss unter den folgenden vier schwierigen Rahmenbedingungen trotzdem gute Lösungen entwickeln:

  • Volatilität
    Der Kontext, in den das Produkt eingebettet ist, ändert sich schnell und fortlaufend.
  • Unsicherheit
    Innovative Lösungen basieren nicht auf einfachen Vorbildern. Es existiert keine eindeutige Handlungsoption.
  • Komplexität
    Das Produkt muss sich in eine komplexe Prozesskette einpassen, an der viele handelnde Personen und Systeme beteiligt sind.
  • Ambiguität
    Mehrdeutige Sachverhalte erlauben keine einfachen Lösungen. Das Team muss Widersprüche akzeptieren.

Deshalb funktioniert der gewohnte langfristig vorausschauende Gesamtplanungsansatz nicht mehr. Niemand kann mehr vorhersehen, was in ein oder zwei Jahren in einem dynamischen VUCA-Markt die beste Detaillösung sein wird. Viele mäßig erfolgreiche Produkte bestätigen das.

Im modernen Produktmanagement wird deshalb der Plan nur so weit wie nötig detailliert und ständig an neue Erkenntnisse angepasst: Wie bei einer Navigations-App geben Produktvision und -ziele den Weg vor, die optimale Route dorthin wird laufend optimiert und neu berechnet.

Dieser adaptive bzw. rollierende Planungsansatz der modernen Produktentwicklung klingt erstmal revolutionär. Google, Amazon, eBay, Facebook, Tesla, das sind nur einige ausgewählte Beispiele, die so planen. Alle Top Technologieprodukte entstehen auf der Basis von adaptiven Planungsmethoden.

Fazit

 
 

Der Produktplanungs-Trichter ähnelt stark dem Verkaufstrichter im Vertrieb: Wer nach einem Neukundengewinn die Akquisetätigkeit vernachlässigt, der darf sich nicht über ein vorhersehbares Umsatzloch wundern. Wer entsprechend in der Produktplanung die Produktchancen-Exploration nur sporadisch durchführt, beschäftigt das Entwicklungsteam mit reiner Feature-Entwicklung ohne Fokus auf den Produkt-Erfolg (Outcome).

Die Investitionen laufen in einer solchen Situation weiter und es entstehen auch Produkterweiterungen. In den Augen der Kunden und Anwender stagniert die Produktentwicklung trotzdem!

Wie erfolgreiche Produktchancen-Exploration aussieht, lest ihr im nächsten Artikel in einer Woche.

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